Sonntag, 27. Februar 2011

Guttenbergsche Unschärfereaktion

Das Thema der letzten Wochen war neben den Revolutionen in Nordafrika die Dissertation von Karl Theodor von und zu Xerox und Guttenberg. Besser: Die Reaktion des Freiherrn auf die Aufdeckung seines…ja, Betruges.

Nach der Erhärtung des Plagiatsvorwurfs hat Guttenberg seine Dissertation gelesen und festgestellt, dass er viel Dummes fabriziert hat und verzichtet auf den Doktortitel – der ihm von der Uni Bayreuth ohnehin entzogen wurde. Gelesen hat Guttenberg seine Dissertation höchstwahrscheinlich das erste Mal. Oder er hat sie selbst zusammenkopiert. Ich vermute, dass er sie hat schreiben lassen.

Nun gut. An seiner Stelle wäre ich abgetaucht. Als Minister zurücktreten, Gras über die Sache wachsen lassen und in 5 Jahren wieder aus der Versenkung auftauchen. Aber Bundeskanzlerin Merkel hält zu ihm, braucht ihn und seine unverständliche Beliebtheit ihm Volk. Hat ihn aber jetzt handzahm und sicher willig, so zu handeln wie sie es will.

Sein Anspruch auf moralisches Handeln, ethischen Anspruch, Aufrichtigkeit und Gradlinigkeit hat er verspielt. Er ist nicht die Lichtgestalt, die viele in ihm gesehen haben, nicht der Messias der Politik. Seine Reaktion auf die Plagiat-Affäre, sein Weg zur Doktorarbeit – all das disqualifiziert ihn. Aber anscheinend nicht als Politiker.

Guttenberg-Affäre: Akademiker werfen Merkel "Verhöhnung" vor | RP ONLINE

Donnerstag, 10. Februar 2011

Hartz IV und Politikposse

Dass die Verhandlung zur Neuberechnung, na, Neuausrichtung, vom ALG2 gescheitert sind heißt nicht wirklich viel. Es kann trotzdem durch Bundestag, Bundesrat gehen. Je nach Tagesform der Abgeordneten. Möchte man meinen. Zudem, sollte sich da auch weiterhin nichts tun, kann man als Hartz IV-Empfänger natürlich auch per Gericht eine Entscheidung erzwingen. Und die Regierungskoalition wird belegen, dass sie alles getan hat um…. Und die Opposition genau das Gegenteil.

Und das ist die eigentliche Posse. Die SPD hat Hartz IV quasi als Neuaufstellung der Sozialgesetze ins Leben gerufen. Zusammenlegen der Sozialbezüge, bessere Kostenkontrolle, gerechtere Sozialleistungsverteilung, die Menschen in Arbeit bringen – einige der gut gemeinten Ideen, die dahinter steckten. Gut gemeint ist aber in der Regel schlecht gemacht – und das merkte man recht schnell. Wirkliche Nachbesserungen ließen allerdings auch unter Schwarz-Rot auf sich warten. Die Nachbesserungen forderte dann letztendlich das Bundesverfassungsgericht – allerdings nur in Form einer Neuberechnung. Was nicht automatisch mehr Geld oder erweiterte Leistungen, wie das Bildungspaket, bedeuten muss.

Die CDU, die schon aus Prinzip gegen Hartz IV war, musste sich also um eine Verbesserung kümmern – mit einem zutiefst verunsicherten Partner an der Seite. Was heraus kam war schon eine Kompromisslösung. Eine kleine Erhöhung durch Neuberechnung und ein Bildungspaket. Das Paket scheiterte im Bundesrat, dank der Rot-Grünen Regierung in NRW. Der CDU fehlte quasi eine Stimme. Wobei mal wieder die Länder weniger ihre Interessen sondern die der Bundesregierung bzw. der Opposition vertreten.

Im Vermittlungsausschuss bekriegen sich dann zwei Frauen, so hat man den Eindruck. Wobei Ministerin von der Leyen durchdrungen schien, sich ihr Gesetz nicht kaputtmachen zu lassen und gleichzeitig auch Rücksicht auf die Liberalen nehmen zu müssen. Und ihre Kontrahentin Manuela Schwesig hat im Prinzip eine SPD im Rücken, die verlorenes Terrain zurückerobern will. Beide scheinen getrieben von den Vorgaben ihrer Vorsitzenden, die sich selber aufs tiefste zu verachten scheinen. So wurde vordergründig immer weiter draufgesattelt bis Mutti Merkel der Kragen platzte. Und damit ist die Posse vollkommen.

Der Eindruck ist übel. Denn es zeigt eine eher handlungsunfähige Regierung und eine sich verweigernde Opposition. Anstatt Politik für die Bürger zu machen werden anscheinend Empfindlichkeiten bedient.

Viel erwartet hat man doch ohnehin nicht. Das Regierungspaket war durchaus brauchbar – vielleicht durch einige Dinge ergänzt, die von der Opposition vorgeschlagen werden. Das hätte die Vorgabe der Verfassungsgerichtes sicher entsprochen. Damit wäre auch etwas Zeit gewonnen, die Leistungsempfänger erst mal bedient. Und dann hätte man mit einem Ausschuss oder Arbeitsgruppe das Sozialsystem in Angriff nehmen können und auf eine breite Mehrheit stellen können. Wobei man nicht jede Maximalforderung auch durchsetzen  muss. Sondern mal pragmatisch an die Sache rangeht.

Wichtig ist sicher, dass die Leistungsempfänger sicher planen können, damit Lebensunterhalt und Wohnung gesichert sind. Für den sozialen Frieden wichtig ist auch, dass Geringverdiener nicht weniger als ALG2 verdienen bzw. der Abstand groß genug ist. Wenn eine vierköpfige Familie im ALG2 rund 1200 € hat plus Miete dann entspricht das schon dem, was eine Verkäuferin in Vollzeit netto verdient. Insofern sind da Problemlagen die man lösen muss. Genau, wie eben eine Förderung im Bildungssystem – auch als Maßnahme, aus dem Sozialhilfekreislauf heraus zu kommen. Sprich: Qualifikation schützt vor geringem Einkommen. Grob gesagt.

Das, was die Politik in Augenblick liefert, ist aber nicht grade Mut machend. Vielleicht sollten die beteiligten Parteien mal einen Schritt zurücktreten und mal verinnerlichen, was sie da veranstalten und was vernünftig wäre. Ideologische, vor allem vorgeschobene, Grabenkämpfe kann man sich nicht mehr erlauben.

Der lange Weg zur politischen Einigung: Wie es mit Hartz IV nun weitergeht | RP ONLINE

Donnerstag, 3. Februar 2011

Mirco und die Anderen

Heute ist es 5 Monate her, dass Mirco aus Grefrath verschwunden ist und, wie man heute weiß, getötet wurde. Heute war auch die Trauerfeier in Grefrath – unter Anteilnahme vieler Menschen, die mitgelitten haben.

Oft höre ich, das ich ein Zyniker bin. Sicher, ganz von der Hand zu weisen ist dass nicht. Das ist bei meinem Lebenslauf durchaus möglich, dass ich dem Leben so begegne. Andererseits wurde mir auch schon gesagt, dass ich für einen Zyniker ein zu gutes Herz hätte. Was mich auch verblüfft – halte ich mich doch durchaus eher für einen Misanthropen. Andererseits: wenn es um Kinder geht und um Missbrauch und Tötung werde ich schon arg emotional.

Zum einen sicher ein Resultat eigenen Erlebens. Und ganz sicher auch ein Ergebnis dessen, was ich im Kinderheim bzw. Jugendwohnheim so mitbekommen habe. Wenn ein Vater seine Tochter missbraucht und auf den Strich schickt. Obwohl sie erst 13 ist. Wenn sich der Vater an seinen Sohn vergeht. Und viele andere Beispiele. Deswegen geht es mir an die Nieren, wenn ich immer wieder über solche Fälle lese und höre. Zu plastisch kann ich mir vorstellen, was es für die Kinder bedeutet.

Seit ich selber Vater bin; wovor ich mich lange gescheut habe aus Angst, so zu werden wie meine Eltern; verstehe ich auch die Ängste der Eltern, deren Kinder verschwinden, vergewaltigt und getötet werden. Und leide mit. Zuletzt mit der Mutter von Mirco, als sie sich an den Entführer, ja, Mörder ihres Sohnes wandte. Und wenn man dann noch den Grund für diese Tat hört steigt die Wut.

Zum einen eine Wut, dass es möglich ist, dass Sexualstraftäter frei kommen und wieder zuschlagen. Grade erst die Talkshow von Markus Lanz, die ich sonst nicht anschaue, mit u.a. Till Schweiger im Netz angeschaut. Da ging es um dieses Thema und Schweiger als auch Arnim Rohde gingen, populistisch anmutend, schon so weit, diesen Tätern quasi ihr Menschenrecht abzusprechen. Nicht ganz zu Unrecht, wie ich finde. Denn zu therapieren sind diese Täter nicht. was auch immer Psychologen da schwafeln. Wie der anwesende Psychologe, der sich lobenswerter Weise für Opfer einsetzt, anmerkte, muss eher präventiv gehandelt werden. Schon in der Erziehung. Dennoch: Ist das Kind schon im Brunnen gefallen….

Zum anderen aber: Die Täter sind, wie bei Mirco, weder pädophil noch sonst wie in Erscheinung getreten. Und töten die Kinder wegen der Machtgefühle, um Frust abzubauen. Und da kommt neben Wut auch so ein Unverständnis hoch. Und grade erst recht, wenn diese Täter auch noch liebevolle Familienväter sind. Und durch ihre Tat ja nicht nur die Familie des Opfers sondern auch ihre eigene zerstören.

Erschreckend ist, dass so etwas dann eben nicht im Vorfeld zu verhindern ist. Völlig ohne Auffälligkeiten in der Vorgeschichte leben diese Menschen nach der Tat völlig unauffällig weiter. Bis es wieder knallt. Und da nutzt letztendlich auch kein strengeres Gesetz oder der Entzug der Menschenrechte. Irgendwie fühlt man sich dem hilflos ausgeliefert. Weil letztendlich der nächste Täter der nette Nachbar um die Ecke sein kann. Oder man selbst?

Bewundernswert ist jedenfalls die Haltung der Eltern von Mirco, die stark von ihrem Glauben getragen werden. Ob es wirklich trägt wird sich sicher noch zeigen. In der Sendung vom Lanz war die Mutter eines getöteten Jungen, Felix, die ein Buch geschrieben hat und insgesamt sehr deutlich darstellte, wie die Tat das Leben der Familie zerstört. Aber es wurde ein Weg gefunden, damit umzugehen. Nicht jeder hat so eine Kraft, egal, ob “von oben” oder aus sich heraus.

Ich selber weiß nicht, und will es nicht wissen, wie ich in dieser Situation reagieren würde.

Grefrath: Bewegender Abschied: "Ruhe in Frieden Mirco" | RP ONLINE