Samstag, 3. Mai 2014

Leben und andere Unwägbarkeiten

Es ist ja eine fatale Erkenntnis, dass das Leben auf jeden Fall tödlich endet. Persönlich kann ich das noch nicht bestätigen, bei Anderen habe ich aber schon davon gehört. Die eigene Unsterblichkeit ist einem ja bewusst – sterben tun immer nur die Anderen. Jedenfalls, wenn man jung ist.

Von daher ist es nicht unüblich, das Leben freudig und lustvoll anzugehen  - bis man erwachsen wird. Oder eine Katastrophe die Freude trübt. Und die ist meist nicht die Einschulung, wenn es auch oft so empfunden wird. Krankheit, zum Beispiel. Oder die Trennung der Eltern. Traumatisierende Erlebnisse. Und so ging es auch mir. Mit 11 Jahren musste ich erwachsen werden. Mental.

Wenn einem in diesem Alter um die Ohren gehauen wird, im wörtlichen Sinne sogar, dass der als Vater angesehene gar nicht der Vater ist und man gleichzeitig eine Scheidung und brutale Eltern zu verarbeiten hat – dass kann einen elfjährigen durchaus aus der Bahn werfen. Meinen Erzeuger habe ich als wahrscheinlich tot angesehen. Oder irgendwo vor sich hingammelnd unter Brücken schlafend. Aber ursächlich für mein aus dem Ruder laufendes Leben.

Ich war froh, in Heime unterzukommen. Was schon viel über meine damaligen Lebensumstände aussagt. Mit 20 war ich bereit dieser Welt adieu zu sagen. Wie man merken kann: Es ist anders gekommen.

Mein Schicksal ist nicht einzigartig – der Verlauf hin zur Familie und einem soliden Leben aber hat durchaus Seltenheitswert. Wenn es auch mit einigen Einschränkungen meiner mentalen Befindlichkeit einhergeht. Über das Erreichte kann ich sehr wohl stolz sein.

Auch wenn man meinen könnte, dass alles in bester Ordnung ist, bleibt eine Trübung: Depression. Immer wieder tiefe Löcher, in die man fällt. Und die das Leben nicht einfacher machen. Das liegt ursächlich sicher in den Ereignissen meiner Kindheit. Doch lösen kann ich mich nicht davon.

Immer kommt der Gedanke hoch, was wohl gewesen wäre, wenn ich in einer normalen Familie groß geworden wäre. Sicher müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Aber man kann sich schwer dagegen wehren. Vor allem aber, weil mein Erzeuger ja unter angeblich dramatischen Umständen entschwunden ist. Und ich das ja als Ursache für meinen Lebenslauf gesehen habe. Ja, gesehen habe.

Natürlich habe ich, in Zeiten des Internets, nach ihm gesucht. Und gefunden. Irgendwo in einem Altersheim in Luxemburg. Und während ich noch überlegte, ob ich wirklich Kontakt aufnehmen soll, erfuhr ich, dass meine Familie größer ist als gedacht.

Inzwischen, nach einem Besuch bei meiner Schwester, über deren Existenz ich bis vor Kurzen ja nichts wusste, und dem Austausch von vielen Informationen, bin ich froh, dass ich nicht mit diesem Mann als Vater aufwachsen musste. Auch die Erkenntnis, dass ich über die ganzen Umstände damals von Allen belogen wurde, hat mich nicht so tief getroffen wie befürchtet.

Und da komme ich wieder zurück auf das Leben und seinen Unwägbarkeiten. Dass nichts läuft wie geplant, erhofft oder gewollt sondern seine eigene Dynamik entwickelt. Mit dem, was passiert ist, werde ich mich abfinden müssen. Unter einem neuen, hellen Licht betrachten können.

Immerhin habe ich jetzt eine Schwester, die ich mir immer gewünscht habe. Und Klarheit über viele Fragen, die mich belastet haben. Und so löst sich doch so manches. Auch wenn man erstmal daran knabbern muss.